Adaptive Regelung am Quadrocopter #3: Modellierung des Gesamtsystems

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Hallo Liebe OpenAdaptroniker,

 

Da viel Zeit seit meinem letzten Blogbeitrag vergangen ist, möchte ich nachfolgend eine Zusammenfassung, bzw. Ergänzungen zu den, in meinem ersten Blogbeitrag dargestellten Motivationen und Zielen meiner Arbeit geben.

Aktive Systeme zur Schwingungsminderung an mechanischen Strukturen bergen komplexe Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen den Komponenten, die im Entwicklungsprozess eines dynamischen Systems in Betracht gezogen werden müssen. Der Entwicklungsprozess basiert somit heutzutage auf einer begleitenden Modellierung der Komponenten und einer Simulation des Gesamtsystems. Dies bietet mehrere Vorteile: es ist möglich verschiedene Ansätze auszuprobieren durch einfaches Austauschen der Modellierungsblöcke in der Simulationssoftware, es kann Verständnis für das dynamische Verhalten des Systems aufgebaut werden und somit ist der Prototypenbau nach den Simulationen schneller zielführend. Das Ziel meiner Arbeit ist zu zeigen, dass die Modellierung und Simulation eines aktiven Schwingungsminderungssystems mit digitalem adaptivem Regler mit quelloffener Software realisierbar ist. Dafür wird das System bestehend aus Quadrocopter und Kamerahalterung in Scilab/Xcos modelliert und simuliert. Die Arbeit von Moritz baut auf meiner Arbeit und der von David auf. Meine Arbeit werde ich in diesem Beitrag und in den kommenden weiter schildern (die nächsten Beiträge werden in den kommenden Wochen nach und nach folgen).

Bild3.1

Das Modell eines Systems mit einer aktiven Schwingungsminderung kann in folgende fünf Komponenten eingeteilt werden. Diese Modellstruktur ist für alle Systeme mit aktiver Schwingungsminderung gültig.

Bild3.2

Abbildung: Modellstruktur

In unserem Fall besteht die mechanische Struktur aus der Drohne, der Kameraanbindung und der Kamera selbst. In diesem Beitrag werde ich nachfolgend auf das Aktorsystem, auf das Sensorsystem und auf die Anregungsmodellierung eingehen.

Für das Aktorsystem erfolgt die Wahl der Komponenten basierend auf den Arbeiten von Manuel (Projekt: Aktoren geht es auch günstig?) und Jonathan. Ich habe den Visaton EX45S mit Verstärker (15W Class-D Leistungsverstärker) und die von Jonathan erstellte Modellierung angepasst verwendet.

Bild3.3

Abbildung: Blockschaltbild des Aktormodells

 

Das Modell des Visatons besteht aus der elektrischen Admittanz der Spule im Magnetfeld und der mechanischen Impedanz (modelliert als Feder und Dämpfer), die über Kopplungsfaktoren verbunden sind. Die zugehörigen Gleichungen sind folgende

Gleichung3.1

Für mehr Informationen siehe den zugehörigen Blogbeitrag von Jonathan.

Ich habe mich für den Verstärker mit 15W entschieden (siehe Blogbeitrag). Das Verstärkermodell aus den Arbeiten von Jonathan ist folgendes:

 

Bild3.4

Abbildung: Blockschaltbild des Verstärkermodells

 

Ich habe es in meiner Arbeit vereinfacht, in dem ich den Tiefpassfilter entfernt habe. In der Tat hat er eine Eckfrequenz von 1,2*10^6 Hz was dazu führt, dass eine sehr kleine Schrittweite von Scilab in der Simulation des Modells eingestellt wird (oder manuell eingestellt werden muss) und somit die Simulation einen erheblich höheren Rechenaufwand darstellt. Da ich mich zunächst mit Frequenzen bis zu 500Hz in den Simulationen beschäftigt habe, hat der Tiefpassfilter keinen Einfluss auf unsere Simulationen. Der Bandpassbereich des Verstärkers ist so groß, da dieser Verstärker ursprünglich für Audioanwendungen gedacht ist.

Das Sensorsystem besteht in unserem Fall aus einem Beschleunigungssensor, ggf. aus mehreren Beschleunigungssensoren. Deshalb wird die Modellierung anhand der Eigenschaften des analogen LIS344ALH Low-Cost MEMS-Beschleunigungssensors gemacht. Ich habe mich für eine vereinfachte Modellierung entschieden, bestehend aus einem Bandpassfilter und einem festen Übertragungsskalar entsprechend der Sensorsensitivität. Somit habe ich unter anderem das im Sensor eingeführte Rauschen vernachlässigt. Dies ist bei anderen Sensoren mit einer höheren Rauschdichte nicht zu vernachlässigen, und kann sich negativ auf die mit dem Regler erreichte Schwingungsminderung auswirken.

Bild3.5

Abbildung: Xcos-Modell des Beschleunigungssensors

Die Anregungsmodellierung bildet den dynamischen Betriebszustand des Quadrocopters nach, um das aktive Schwingungsminderungssystem im Betriebszustand zu testen. Aus Messungen im Flug habe ich Beschleunigungsdaten, bzw. über Integration Geschwindigkeitsdaten im Flug ohne Kamera am Kameraaufhängungspunkt erhalten. Ich habe mich weiterhin für die Flugphase des Schwebeflugs entschieden, d.h. wenn der Quadrocopter stabilisiert an einer Stelle fliegt (mit 50% Motorschub auf der Fernbedienung). Das hat den Hintergrund, dass diese Flugphase weniger zeitliche Veränderungen im Beschleunigungssignal aufweist, als wenn sportlicher mit dem Quadrocopter geflogen wird, und somit für erste Simulationen des Reglers vorteilhaft ist. Im Rahmen meiner Arbeit wird die Schwingungsberuhigung zunächst auf eine Raumrichtung beschränkt, die vertikale z- Richtung (entgegen der Schwerkraft wenn die Drohne gerade steht). Vereinfacht habe ich angenommen, dass die Anregung nur durch die vier Motoren in die Quadrocopterstruktur eingeleitet wird. Für die Anregungsmodellierung und die darauffolgende Simulation habe ich zusätzlich angenommen, dass die Anregung nur an einem der vier Motoren in die Struktur eingeleitet wird.

Die Anregungsmodellierung basiert auf dem Modell der Quadrocopterstruktur und der Identifikation von Übertragungsstrecken mit digitalen Filtern, zwei Punkte die ich in späteren Beiträgen vorstellen werde. Somit habe ich ein digitales FIR-Filter anhand des Modells des Quadrocopters identifiziert, das den Übertragungspfad von einem der vier Motoren bis zum Kameraaufhängungspunkt am Quadrocopter nachbildet.  Die Anregung kann mathematisch in Matrixschreibweise folgendermaßen beschrieben werden:

Gleichung3.2

Mit der Matrix der Anregungskraft F, dem Vektor  des gemessen Geschwindigkeitssignals  und dem Vektor  mit den Filterkoeffizienten. F entspricht für die Länge n des Zeitsignals f, und die Länge N des Filters  folgender Matrix:

Gleichung3.3

Nach Bildung der Inversen erhalte ich somit das Krafteingangssignal f in das Quadrocoptermodell:

Gleichung3.4

Das Zeitsignal f habe ich zusätzlich skaliert. Bei Einleitung des erhaltenen Kraftzeitsignals am Motor im Quadrocoptermodell, erhalte ich in der Simulation ein Geschwindigkeitssignal am Kameraaufhängungspunkt, das folgendes Frequenzspektrum aufweist:

Bild3.6

Abbildung: Frequenzspektrum der Geschwindigkeiten am Kameraaufhängungspunkt

Mit geringen Abweichungen in 45Hz und 52Hz und zusätzlich zwischen 300Hz und 360Hz bildet die Modellierung den Betriebszustand am Quadrocopter nach. Diese Methode wird in Kommunikationssystemen teilweise unter dem Name Zero-Forcing-Equalizer Methode eingesetzt.

Im nächsten Blogbeitrag  werde ich die Modellierung der mechanischen Struktur, insbesondere der Quadrocopterstruktur schildern.

Bis bald!

Nicolas


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