Entwicklung eines Tools zur Empfehlung von Strategien zur Schwingungsberuhigung – #5

Hallo liebe OpenAdaptroniker

Nachdem die Ansätze Verminderung der Erregung, System Verstimmen, Dämpfung erhöhen und Tilgung/Neutralisation in den vorherigen beiden Post vorgestellt wurden, fehlt noch der Lösungsansatz der Schwingungsisolation. Außerdem möchte ich noch eine ganz bestimmte Lösung vorstellen, und zwar den Intertialmassenaktor.

Schwingungsisolation

Der Ansatz der Schwingungsisolation beruht auf der Idee das Instrument einfach auf seinen eigenen Einmassenschwinger zu stellen und diesen dann an der Struktur zu befestigen. Dieser zusätzliche Schwinger stellt eine elastische Lagerung des Instruments dar. Ein Alltagsbeispiel für Isolation ist der Sitz eines LKWs, der dafür sorgt, dass der Fahrer so wenig Vibrationen aufgrund von schlechten Straßen mitbekommt, wie möglich. Unser abstraktes System sieht mit elastischem Lager so aus:

Elastisch gelagertes Instrument auf Struktur - Schwingungsisolation
Elastisch gelagertes Instrument auf Struktur – Schwingungsisolation

Die Koordinate x_0 bezeichnet weiterhin die Auslenkung am Fußpunkt durch die Erregung und x_1 die Auslenkung unseres Instruments. Die Auslenkung der Strukturmasse ist mit x_Struk bezeichnet.
Das Gesamtsystem ist eine „Reihenschaltung“ von zwei einzelnen Einmassenschwingern. Das Übertragungsverhalten des Gesamtsystems entspricht einer Multiplikation der Übertragungsfunktionen der beiden Einmassenschwinger.

Das elastische Lager kann durch hohe Masse und geringe Steifigkeit auf eine sehr kleine Eigenfrequenz abgestimmt werden. Wie bereits im Abschnitt Dämpfung erhöhen klar geworden ist, werden alle Frequenzanteile oberhalb von √(2)Ω_I abgeschwächt. In diesem Bereich spricht man dann von Isolation. Die folgende Abbildung veranschaulicht dieses Prinzip:

Auswirkung von Isolation auf das Übertragungsverhalten
Auswirkung von Isolation auf das Übertragungsverhalten

Der große Vorteil der Isolation ist, dass das Übertragungsverhalten der Struktur nahezu beliebig sein kann – also z.B. eine Reihe von Eigenfrequenzen aufweisen kann. Trotzdem werden alle auftretenden Resonanzen oberhalb von √(2)Ω_I stark abgeschwächt und damit eine deutliche Verbesserung des Schwingungsverhaltens in diesem Bereich erzielt. Aber auch hier gibt es Nachteile: Wenn das Lager zu elastisch und die Dämpfung zu gering ist, kann es zu großen Schwingungen des Instruments kommen. Und zwar dann, wenn das System im gesamten Frequenzspektrum angeregt wird. Weißes Rauschen oder ein starker Impuls sind Beispiele für Erregungen im gesamten Frequenzspektrum.

Bezüglich der Dämpfung gibt es einen Zielkonflikt. Einerseits möchte man ein hohes Dämpfungsmaß, um bei breitbandiger Erregung keine zu großen Schwingung hinnehmen zu müssen. Andererseits verschlechtert ein hohes Dämpfungsmaß die Isolationswirkung, wie in der Abbildung zu sehen ist. Das elastische Lager muss also gut auf den Anwendungsfall abgestimmt werden. Dabei können einstellbare Elemente (wie auch schon bei den anderen Ansätzen) von großem Vorteil sein.

Bei semi-aktiven elastischen Lagern werden wieder k, d und m im Betrieb mit Aktoren verändert.
Aktive elastische Lager verfügen über eine Aktorik zwischen m und m_I, sodass über variable virtuelle Dämpfung, Steifigkeit und Masse die Lagereigenschaften in sehr kurzer Zeit angepasst werden können. Außerdem sind auch noch wirkungsvollere Regelkonzepte, wie beispielsweise der sogenannte Skyhook umsetzbar. Aktive Lager können auf diese Weise eine massive Verbesserung der Schwingeigenschaften ermöglichen. Nachteilig sind jedoch die hohe Komplexität, die Notwendigkeit von Hilfsenergie und potentielle Instabilitäten in der Regelung. Die Umsetzung einer aktiven Schwingungsisolation wurde von unserem Autor Rocco in Angriff genommen. Hier geht’s zu seinem ersten Post, der das Thema behandelt.

Inertialmassenaktoren (IMA)

Intertialmassenaktoren stelle ich am Ende dieses Überblicks vor, da sie einen Sonderfall aktiver Schingungsberuhigung darstellen. Je nach Einsatzmethode und Regelstategie lassen sie sich den aktiven Tilgern/Neutralisatoren oder der aktiven Dämpfung zuordnen. Wie im vorherigen Post bereits erwähnt, entsprechen Intertialmassenaktoren in ihrer Bauart aktiven Tilgern/Neutralisatoren. Die Idee des IMA ist es Kräfte in die Zielstuktur zur Schwingungsminderung einzubringen, indem sich ein Aktor nicht an der Umgebung sondern an einer trägen Masse „abstützt“. Die folgende Abbildung erläutert das Prinzip.

Aufbau eines IMA, Einsatzberich des IMA
Aufbau eines IMA, Einsatzberich des IMA

Der Einsatzbereich eines IMAs hinsichtlich der Frequenz beginnt typischerweise oberhalb seiner Eigenfrequenz (Peak in der Abb. rechts). Da sich der Aktor an der eigentlich beweglichen Masse abstützt, ist die auf die Zielstruktur winkende Kraft F nicht automatisch gleich der Aktorkraft F_A. Wird der IMA jedoch höherfrequent betrieben kommt die Masse „nicht mehr hinterher“, hält quasi ihre Position und das Verhältnis F/F_A nähert sich mit steigender Frequenz dem Wert 1 an. Die gestellten Kräfte können dann direkt auf die Struktur übertragen werden und diese beruhigen. Je nach Wirkungsweise auf Grundlage der Regelstrategie (virtuelle Dämpfung oder Steifigkeit, Kraftkompensation, etc.) können dann unterschiedliche Effekte (Dämpfung, Tilgung, etc.) realisiert werden. Entsprechend erfolgt die Einordnung im Lösungsraum. Der IMA stellt also streng genommen keine eigene Strategie zur Schwingungsberuhigung dar. Es ist allerdings zweckmäßig ihn als eigenständige Empfehlung mit in das Tool aufzunehmen.

Da der IMA auf sehr unterschiedliche Weise angesteuert, bzw. geregelt werden kann, ist sowohl eine schmalbandige als auch eine breitbandige Schwingungsberuhigung im Einsatzbereich (siehe Abb.) möglich. Außerdem können IMA bei gleicher oder besserer Performance leichter als bspw. adaptive Neutralisatoren gebaut werden. Wie andere aktive Lösungen liegen die Nachteile in der hohen Komplexität, dem Bedarf an Hilfsenergie und potentiellen Instabilitäten in der Regelung.

 

Damit sind jetzt alle Strategien zur Schwingungsberuhigung vorgestellt. Im nächsten Post werdeich noch einmal die für das Tool wichtigsten Eigenschaften der Strategien zusammenfassen, um einen abschließenden Überblick zu bekommen. Bis dann.

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