Methoden der aktiven Schwingungsdämpfung #2 Parameteradaption mittels LMS-Algorithmus

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Hallo Zusammen! Ich bin Ruo Yi. In dem letzten Beitrag habe ich euch eine allgemeine Vorstellung der Methoden der aktiven Schwingungsdämpfung gegeben. Nun erkläre ich euch einen oft verwendenden Algorithmus für aktive Schwingungsdämpfung: LMS-Algorithmus.

Für die Schwingungsminderung oder die Geräuschreduzierung spielt die Parameteradaption eine wichtige Rolle in der gesamten Regelung. Der Grund liegt darin, dass die Eigenschaften der Strukturschwingung, die z.B. mit Belastung und Temperatur zusammenhängen, während der Regelung veränderlich sein können [1]. Deswegen ist eine Parameteradaption für den Regler erwünscht. Der in diesem Abschnitt beschriebene Least-Mean-Square (LMS)- Algorithmus findet breite Anwendung im Bereich aktiver Schwingungsminderung und liegt den in dieser Arbeit implementierten Regelungen zugrunde.

1 Prinzip

Ein typischer adaptiver Filter mit LMS-Algorithmus ist in Bild 1 dargestellt. Ziel ist eine Minimierung des Fehlersignals e(n) und somit eine Modellbildung der primären Strecke durch einen FIR-Filter. Entspricht der FIR-Filter W(z) exakt der primären Strecke P(z), d.h.

so verschwindet e(n) vollständig. Die Filterkoeffizienten werden mithilfe des LMS-Algorithmus rekursiv über viele aufeinander folgende Abtastschritte hinweg sukzessive angenähert.

Bild 1: Parameteradaption mittels LMS-Algorithmus [1]

2 Mathematische Herleitung

Der FIR-Filter kann durch die Gleichung

mathematisch beschrieben werden. Dabei sind [latex]x(n)[/latex] und [latex]y(n)[/latex] der aktuelle Eingangs- und Ausgangswert. [latex]x(n-l)[/latex] für [latex]l[/latex] = 1, … , L-1 bilden die zurückliegenden Eingangswerte. [latex] w_{l}(n)[/latex] stellen die Koeffizienten des FIR-Filters mit der Ordnung L dar.

Für eine Vereinfachung der Darstellung können nun die Eingangswerte in einem Vektor zusammengefasst werden

In Analogie können die Filterkoeffizienten auch in einem Vektor angeordnet werden

Somit ergibt sich der Ausgangswert aus der Gleichung

Die Gütebeurteilung erfolgt nach Bild1 über die Bestimmung der Fehlersignale [latex]e(n)[/latex]. Das Fehlersignal wird berechnet über

Die Filterkoeffizienten [latex]w[/latex] lassen sich durch das Minimieren des zeitlichen Mittelwerts vom Quadrat des Fehlersignals [latex]e(n)[/latex] bestimmen. Für stationäre Anregung entspricht der zeitliche Mittelwert dem Erwartungswert. Hierzu erfolgt das Aufstellen einer Gütefunktion über:

Ein Ansatz zum Auffinden des Minimums der Gütefunktion ist die Methode des steilsten Abstiegs (method of steepest descent) [3]. Diese Methode wird zur Lösung allgemeiner Optimierungsprobleme eingesetzt. Bei einem Minimierungsproblem geht man von einem Anfangswert aus und schreitet davon in Richtung des negativen Gradienten fort, bis man keine numerische Verbesserung mehr erzielen kann. Dies wird iterativ über die Gleichung

ausgeführt. Dabei ist ∇ξ(n) der Gradient eines Gütemaßes bezüglich der Filterkoeffizienten, μ die Adaptionsschrittweite. Die Filterkoeffizienten werden auf diese Weise so lange in Richtung ihres optimalen Wertes verändert, bis sie ihn erreicht haben [2].

3 LMS-Algorithmus

Die vorher vorgestellte adaptive Filterbestimmung über ist in der Praxis allerdings nicht direkt ausführbar, da der Erwartungswert des Quadrats des Fehlersignals im jedem Adaptionsschritt für eine praktische Anwendung schwer ermittelt werden kann. Bei LMS-Algorithmus wird der Erwartungswert [latex]E\{e^{2}(n)\}[/latex]  durch dessen Momentanwert [latex]e^{2}(n)[/latex] ersetzt, so dass das Gradient der Gütemaßfunktion in

umgeformt werden kann. Durch Einsetzen ergibt sich schließlich die rekursive Berechnungsformel des LMS-Algorithmus

4 Modifikation des LMS-Algorithmus

  • Normierter LMS-Algorithmus

Die Adaptionsschrittweite  [latex]\mu[/latex] kann mit [latex]\frac{\alpha}{LP_{x}}[/latex] geschätzt werden (Herleitung siehe [1]) , d.h.

wobei [latex]P_{x}[/latex] die Signalleistung von [latex]x(n)[/latex], L die Länge des FIR-Filters und [latex]\alpha[/latex] eine Konstante, die zum Einhaltung der Stabilitätsgrenze des LMS-Algorithmus im dem Umfang

liegen muss [1], sind. Zur Vereinfachung der Implementierung kann [latex]P_{x}[/latex] mit der Formel

geschätzt werden[1]. Für die praktische Anwendung ist es außerdem wichtig, eine untere Grenze bei der Schätzung der Leistung [latex]P_{x}[/latex] einzusetzen

wobei [latex]P_{min}[/latex] die untere Grenze der aufgenommenen Leistung des Signals ist. Diese Maßnahme stellt sicher, dass [latex]\mu[/latex] begrenzt ist, selbst wenn [latex]P_{x}[/latex] für eine lange Zeit sehr klein ist. Ansonsten wird [latex]\mu[/latex] gegen unendlich hohe Werte streben, wenn ein verschwindendes Referenzsignal vorliegt [1].

  • Leaky LMS-Algorithmus

Eine spektral nicht ausreichende Anregung wie z.B. eine harmonische Anregung kann zu einem Driften der Koeffizienten des adaptiven Filter [latex]w(n)[/latex] führen [1]. In diesem Fall können die Koeffizienten unbeschränkt in Richtung unendlich hoher Werte wachsen. Um die Überlastung des Stellglieds zu vermeiden, wird die rekursive Berechnungsformel des LMS-Algorithmus mit einem Vergessensfaktor (Englisch: Leaky factor) [latex]v[/latex] ergänzt. So ergibt sich die Leaky-LMS-Berechnungsformel

wobei [latex]v[/latex] im Bereich [latex]0<v\leq 1[/latex] liegt [1]. Für eine praktische Anwendung soll [latex]v[/latex] normalerweise sehr nahe bei Eins liegen.

Die Leaky-LMS-Berechnungsformel kann so interpretiert werden, dass die Filterkoeffizienten [latex]w(n)[/latex] fortlaufend eine gewisse Verkleinerung erfahren. Bei geeigneter Wahl von [latex]v[/latex] sollte die Verkleinerung zum einen stark genug sein, um die typischerweise langsamen Drifterscheinungen zu unterdrücken, zum anderen aber deutlich schwächer bleiben als die adaptive Wirkung durch den zweiten Summanden auf der rechten Seite von der Berechnungsformel [2].

  • Kombination von Normierung und Leaky-Faktor

Für eine Vereinfachung der Implementierung und Erhöhung der Robustheit ist die Kombination beider Varianten des LMS-Algorithmus von Bedeutung. So ergibt sich der modifizierte LMS-Algorithmus mit Schrittweitennormierung und Vergessensfaktor. Bild 2 stellt die Struktur des modifizierten LMS-Algorithmus dar.

Bild2: Modifizierter LMS-Algorithmus mit Schrittweitennormierung und Leaky-Faktor [2]

Eine ausführliche Diskussion über den LMS-Algorithmus ist in vielen Literaturen wie z.B. [1] und [2]verfügbar.

Der LMS-Algorithmus liegt der in dieser Arbeit implementierten Regelalgorithmen zugrunde. In dem nächsten Beitrag erkläre ich euch die Anwendung der breitbandigen Feedforward-Regelung bei der Schwingungsminderung.

Also, wir sehen uns in dem nächsten Beitrag:)

Letzter Beitrag:

Methoden der aktiven Schwingungsdämpfung #1 Allgemeine Vorstellung

Nächster Beitrag:

Methoden der aktiven Schwingungsdämpfung #3 Breitbandige Feedforward-Regelung

Quellen:

[1] KUO , S. M. und D. R. MORGAN : Active Noise Control System. John Wiley & Sons. Inc., 1996

[2] PASCHEDAG , J.: Aktive Schwingungsisolation in Kfz-Motoraufhängungen – Systemkonfiguration und Methoden. Doktorarbeit. Technische Universität München, 2007

[3] WIDROW , B. und S. D. STEARNS : Adaptive Signal Processing. Prentice Hall, 1960


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