Adaptive Regelung am Quadrocopter #8: Erste Prototypisierung mit einem DSpace-System

Zum vorherigen Beitrag: Implementierung der Reglervarianten

 

Hallo liebe OpenAdaptroniker,

Heute erzähle ich abschließend von der Implementierung des aktiven Schwingungsminderungssystems am Quadrocopter mit Hilfe eines DSpace-Systems.

Dieser Schritt ermöglicht eine erste Prototypisierung der Erkenntnisse aus der Gesamtsystemsimulation. Das DSpace-System ist ein kostenpflichtiges System mit dem Signalverarbeitungen einfach implementiert und getestet werden können. Durch leistungsstarke und flexibel einstellbare Echtzeitsysteme erfolgen diese Tests nahezu ohne Hardware-Einschränkungen. Weiterhin können die Reglerparameter online währende dem Betrieb leicht geändert werden. Anhand der hohen Preise dieser Systeme ist der heutige Schritt in dieser Form leider nicht zu Hause zu realisieren.

 

Testaufbau

Für den Test habe ich den Quadrocopter weich aufgehängt um ihn wie im Flug von der Umgebung zu entkoppeln. Die Anregung wird mit einem Laborshaker über einen der vier Quadrocopterarme in die Struktur eingeleitet.

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Abbildung: Bild der Drohne mit aktivem System zur Erprobung des Reglers

Die Kamera wird in ihrem Gehäuse über den Visaton EX45S am Quadrocopter befestigt. Der Visaton wird über einen 15W-Leistungsverstärker angesteuert. Wie man auf den Fotos sieht, wird der Visaton im Gegensatz zur Simulation außen am Quadrocopter befestigt. In der Simulation wird er mittig unter dem Quadrocopter befestigt (gegeben durch die Definition des fünften Knoten im Modell der mechanischen Struktur). Ich habe den Aufhängungspunkt geändert, weil wir uns nachträglich entschieden haben die Kamera exzentrisch zu befestigen um Störungen des Bilds durch die Quadrocopterfüße zu vermeiden.

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Abbildung: Bild der Befestigung der Kamera am Visaton und des Visatons an der Drohne in der Implementierung am Demonstrator

Der Regler wird in Matlab/Simulink implementiert und über eine Schnittstelle zu DSpace auf die DSpace Hardware geladen. Mit der Software DSpace Control Desk kann man die Reglerparameter während des Betriebs ändern und die gemessenen Werte des Beschleunigungssensors speichern. Die Auflösung des ADC wird auf 16 bit festgelegt, um keine Störung durch Quantisierungrauschen einzuführen (siehe Blogbeitrag 5). Die Ausgangsspannung des DACs wird auf den Bereich +- 10V festgelegt. Für diesen Versuch habe ich weiterhin einen Laborbeschleunigungssensor verwendet.

Für eine vollständige Implementierung mit kostengünstigen Bauteilen am Quadrocopter fehlen somit noch die digitale Signalverarbeitung und das Sensorsystem. Dies wird in nachfolgenden Arbeiten in Zukunft realisiert werden.

Die Anregungsmodellierung, wie ich sie in der Simulation realisiert habe, hat am Demonstrator nicht funktioniert. Ich habe deshalb zwei verschiedene Anregungsarten getestet. Zum einen habe ich eine breitbandige Rauschanregung, zusammengesetzt aus in drei Frequenzbereiche aufgeteilten weißen bandbegrenzte Rauschsignalen, jeweils verschieden skaliert, getestet. Zum anderen habe ich eine harmonische Anregung bestehend aus der Überlagerung von Sinussignalen, der gleichen Eigenfrequenzen und Amplituden wie die im Flug gemessenen ausgeprägten Überhöhungen getestet.

 

Ergebnisse

Im ersten Schritt wird vor Betrieb des aktiven Systems der sekundäre Pfad breitbandig mit einem Rauschsignal angeregt, und mit einem digitalen Filter identifiziert. Zur Bestimmung der Filterordnung habe ich im Blogbeitrag 7 eine Approximationsformel eingeführt. Mit Vernachlässigung des Verhaltens des sekundären Pfads unterhalb von 10Hz kann die Filterordnung auf 500 geschätzt werden. Anders als in der Simulation habe ich den Filter der Ordnung 500 trotz Abweichungen zum Testen übernommen.

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Abbildung: Frequenzspektrum der Sekundären Strecke am Demonstrator – Vergleich des identifizierten digitalen Filters mit der Impulsantwort der sekundären Strecke am Demonstrator

Wie erwartet hat der sekundäre Pfad ein anderes dynamische Verhalten als in der Simulation. Dennoch ähnlich wie in der Simulation gibt es zwei sehr ausgeprägte Eigenfrequenzen in 53 Hz und in 66,4 Hz, die bei Implementierung mit einem Feedback-Regler zum analysierten Konflikt in der Optimierung der Reglerparameter (siehe Blogbeitrag 7) führen könnten.

Aus der Simulation kam hervor, dass der Feedforward-Regler positive Ergebnisse liefert. Ich habe ihn deshalb am Quadrocopter implementiert. Das Referenzsignal habe ich nicht gemessen, ich habe stattdessen im Simulink-Modell/DSpace System das Anregungssignal für den Shaker verwendet. Bei harmonischer Anregung habe ich erneut festgestellt, dass der Zielkonflikt in der Optimierung der Reglerparameter durch die hohe Amplitude der Eigenfrequenz der Starrkörpermode bei 3 Hz entsteht. Somit arbeitet der Regler hauptsächlich in 3 Hz. Aus diesem Grund habe ich das harmonische Signal mit der Eigenfrequenz 3Hz aus dem Anregungssignal entfernt, was in einer definitiven Implementierung durch eine Hochpassfilterung realisiert werden könnte.

Die Implementierung mit harmonischer Anregung wurde mit folgenden Reglerparametern realisiert.

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Abbildung: Frequenzspektren der Beschleunigungen an der Kamera mit und ohne Feedforward-Regelung bei harmonischer Anregung (ohne 3Hz) am Demonstrator

Folgende Effekte sind zu beobachten:

  • Eine Minderung von 7 dB in 70 Hz
  • Eine Verstärkung von 5dB in 119Hz
  • Eine Minderung von 26,2dB in 187Hz
  • Keine Veränderung in 284Hz

Die Überhöhung in 284Hz wird mit den gewählten Reglerparametern nicht gedämpft. Dies kann mit einer Optimierung der Parameter verbessert werden. Die Verstärkung in 119Hz ist durch eine Nullstelle im sekundären Pfad bedingt. Das durch den identifizierten sekundären Pfad gefilterte Referenzsignal zur Adaption des Regelfilters hat in 119Hz eine kleine Amplitude (siehe Frequenzspektrum sekundärer Pfad in 119 Hz), weshalb eine schlechte Performance in 119Hz erreicht wird. Weiterhin ist fraglich wie relevant die Überhöhung in 119 Hz relevant ist. In der Tat entsprechen die Eigenfrequenzen der Überhöhungen der Messung im Flug, in der der Beschleunigungssensor mittig unter der Quadrocopterstruktur befestigt worden ist (am ursprünglich definierten Kameraaufhängungspunkt). Somit ist zu vermuten, dass die Überhöhungen am neuen Kameraaufhängungsunkt nicht in den gleichen Frequenzen zu beobachten sind. Dennoch konnte mit der harmonischen Anregung festgestellt werden, dass der Regler korrekt arbeitet.

 

Die Implementierung mit breitbandiger Rauschanregung hat folgende Reglerparameter ergeben.

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Abbildung: Frequenzspektren der Beschleunigungen an der Kamera mit und ohne Feedforward-Regelung bei breitbandiger Rauschanregung am Demonstrator

Zunächst kann man beobachten, dass die breitbandige Rauschanregung Eigenfrequenzen des Systems anregt, weshalb das Frequenzspektrum der Beschleunigungen die oben sichtbaren Überhöhungen aufweist. Bei Vergleich der Frequenzspektren mit und ohne Regelung können insbesondere folgende Effekte beobachtet werden:

  • eine breitbandige Minderung zwischen 40 und 96Hz bis zu 17,2dB (in 42Hz)
  • eine breitbandige Minderung zwischen 195 und 318Hz von 0 dB(in 232Hz) bis zu 20,5dB (in 228Hz)
  • eine breitbandige Minderung zwischen 465 und 500Hz bis zu 11,9dB (in 475Hz)
  • eine breitbandige Verstärkung zwischen 96 und 183Hz bis zu 37,9dB (in 174Hz)

Weiterhin können noch in vereinzelten Frequenzen Verstärkungen beobachtet werden. Für die breitbandige Verstärkung kann vermutet werden, dass bei verbesserter Anregungsmodellierung oder in der Realität eine Minderung zu erreichen wäre.

 

Trotz großer Unterschiede zwischen der Simulation und der ersten Prototypisierung, vor allem bedingt durch verschiedene Kameraaufhängungspunkte, konnte ich feststellen, dass die Simulation Erkenntnisse gebracht hat und somit ihre Rolle erfüllt hat. Insbesondere der Zielkonflikt in der Optimierung der Reglerparameter konnte festgestellt und verstanden werden. Die Simulation ist sehr gut mit Scilab/Xcos zu realisieren und die erstellten Skripte und Xcos-Modelle werden in Zukunft auf Openadaptronik.de frei zugänglich sein.

In weiteren Schritten müsste die Regelung mit einem Beschleunigungssensor zur Messung des Referenzsignals getestet werden. Die Regelung müsste dann noch im Flug getestet werden, und, falls noch Schwierigkeiten auftreten sollten, die Simulation verbessert werden.

Mit diesem Beitrag schließe ich mit dem Inhalt meiner Masterarbeit ab. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit beim Lesen! Falls Fragen bestehen, einfach kommentieren, ich werde versuchen sie zu beantworten.

 

Bis bald!

 


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